Was ich nicht höre, ist nicht da
Ulrich Habel
| 3 Minuten
Bei der Aufnahme des Jahreswechsels machte ich eine spannende Entdeckung. Spannend war sie zumindest für mich und seitdem denke ich nach und stelle mehr und mehr Dinge in Zweifel. Ich denke, man sollte nun auch einmal über das Thema Lärmverschmutzung durch den Menschen reden.
Auf Mastodon hatte ich bereits einen kurzen Austausch mit anderen Usern, die ebenfalls im weitesten Sinne im Field Recording unterwegs sind. Sehr vergleichbare Aussagen bekam ich ebenfalls im Field Recording Slack - Landschaften ohne menschlichen Einfluss aufnehmen zu können, ist beliebig schwierig geworden. Hier oben auf dem platten Land Niedersachsens, welches den Schall so wunderbar weit trägt, ist es nahezu unmöglich geworden. Selbst wenn man durch geeignete Wahl der Tageszeit manche menschlichen Geräusche ausblenden kann (beispielsweise Autos), ist es vollkommen unmöglich sich vor den Flugzeugen zu verstecken. In jeder meiner Aufnahmen gibt es mindestens ein Flugzeug, welches in mühevoller Kleinarbeit heraus editiert werden möchte. Wenn man dann die Aufnahme noch Tagesereignisse knüpfen möchte, wie beispielsweise den Sonnenaufgang und das Erwachen der Vögel, ist man vollends aufgeschmissen. Wobei sich gerade bei einem Wald dort eher die Frage stellt, ob sich laut unterhaltene Jogger oder Hundebesitzer, deren Hunde sich fröhlich begrüßen, das Problem sind oder ob es Autos bleiben. Kurzum der Mensch dringt in einen Raum vor und macht dort Geräusche.
Kurz nachgedacht - meine Intention Menschen an einen Ort zu bringen, den sie selber nicht mehr erreichen können und ihnen vorzuspielen wie es sich dort anhört - enthält nun einmal Flugzeuge und Autos und … Das ist sicherlich die dokumentarische Seite des Field Recordings. Auch diese Teile lohnen sich zu dokumentieren bevor sie verloren gehen. Wie hört sich einer dieser riesigen Schaufelrad Bagger an, die die Lausitz nach Braunkohle durchflügen? Wie laut ist das? Wie hört sich das an? Teile von diesen Gegebenheiten sind vermutlich schon unhörbar verloren. Wie hörte sich das Ruhrgebiet an wenn eine Zeche Schichtwechsel hatte und die Menschen nach Hause strömten? Wie hören sich Hochöfen oder Stahlwalzwerke an? Da wäre eine Zeitreise zur Nachdokumentation hilfreich.
Zurück zum Thema. Während der Aufnahme von diversen Silvester Knallern und Heulern entdecke ich beim Audioschnitt der Aufnahme einen wiederkehrenden Ton bei 23kHz. Diesen habe ich in dem nachfolgenden Spektrogramm für euch in einem schönen, leuchtenden Grün markiert. Für uns Menschen ist dieser Ton nicht mehr hörbar. Den für den Menschen hörbaren Bereich habe ich in Violett eingefärbt. Insbesondere ältere Menschen werden Töne nicht mehr bis 15kHz wahrnehmen können, ab 50 Lebensjahren kann der Mensch Töne ab 12kHz nicht mehr hören. Es ist ein sogenannter Marderschreck, der mittels hochfrequenten Tönen den Marder davon abhalten soll, ein Nest in einem Auto zu bauen. Diese Marderabschreckanlage piept nun schön in regelmäßigen Intervallen. Wie laut dieser Ton ist, lässt sich nicht verlässlich sagen, dazu ist die Messung viel zu ungenau.
Das liegt unter anderem auch an den Mikrofonen (Micbooster Clippy EM272), die eigentlich nur bis 20kHz hören sollten. Meine scheinen jedoch auch über die 20kHz empfindlich zu sein und Schall aufzunehmen.
Fest steht jetzt auch, ich kann es nicht hören aber es ist da. Ein Hund/Katze, die in diesem Frequenzbereich noch hören können, werden quasi “weggebrüllt” oder zumindest muss der Anblick des Autos Unbehagen verursachen.
Wie geht man jedoch damit um und wie kommen wir an den Anfang zurück? Ich kann also Töne aufnehmen, die ich gerne hätte (genannt Atmo) und mische dort jede Menge Töne unter, die ich nicht haben will wie beispielsweise das Flugzeug. In einer Stadt wo zahlreiche Autos dieser Art herumstehen könnten, würde ich mich dann entspannen, weil ich ja nichts höre? Oder würde ich vielleicht dennoch nervös oder unruhig werden, weil mir jemand die ganze Zeit mit unglaublicher Lautstärke ins Ohr piept? Ich stelle bewusst in meinem Projekt den Menschen in den Vordergrund, es ist sicherlich aber auch zu diskutieren wie es anderen Lebewesen damit gehen könnte und wie man diese schützt.